Es ist unbestreitbar, dass der Gunther gleich von Anfang an in Břevnov für eine Persönlichkeit gehalten wurde, die eine
außerordentliche Achtung verdiente und dass diese Achtung zu seiner Heiligsprechung führen sollte. Aus verschiedenen
Gründen gelang dies nicht ….
Aber die Břevnover Benediktiner wurden sich bewusst, dass es zwischen dem von ihnen neu verehrten St. Emmeram-Heiligen Dionysius und dem Břevnover "Haus-Heiligen" Gunther eine bedeutende, wenn auch zufällige Verbundenheit gibt.
Auch Dionysius‘ Todestag war nämlich der 9. Oktober. Daher schlossen sich die Břevnover den Regensburger Mystifikationen
an und begannen den neuen Dionysiuskult zu fördern. Seine Pflege ermöglichte nämlich ein ganz offizielles Begehen des
Festtages, in dem auch das Andenken Gunthers verborgen war. Das Fortschreiten dieses Trends kann man gut bis zur Phase
des Umbaus der Břevnover Kirche in der Mitte des 13. Jahrhunderts verfolgen, der eine viel breitere und fast offizielle
Entfaltung des hausinternen Guntherkultes an seinem neu gestalteten Grab ermöglichte, mit einer neuen, künstlerisch
bedeutsamen Grabplatte. Der Gipfel dieses Trends war die Erweiterung des Patroziniums der Břevnover Kirche um den
Dionysiustitel zwischen den Jahren 1252-1261. Der Dionysiuskult wurde damals nach Břevnov implantiert, was sehr wichtig
für die Guntherverehrung war.Der große Dionysiusfest mit seiner Liturgie ermöglichte den selben Tag auch als Hausfest des
Eremiten Gunthers zu feiern, ohne die päpstlichen Anordnungen zu verletzen, die die Verehrung der nicht kanonisierten
Personen verboten.
Der späteren Tradition nach wurde dieses Geschehen mit der Initiative des Přemysl Otokar II. verbunden. Der König wollte
die Kanonisation Gunthers bei Papst Innozenz IV. erreichen. Dieser Papst sollte den Abt von Niederaltaich, den Propst von
Rinchnach und den Abt von Strahov beauftragen die Kanonisation vorzubereiten. Der Probst von Vyšehrad namens Divis
sollte die notwendigen Akten nach Rom bringen. Er starb aber unterwegs. Abt Hermann von Niederaltaich schickte an Papst
Alexander IV. ein neues Gesuch (9. März 1261) und der Břevnover Abt Martin sollte die neue Eingabe (bestätigt vom Prager
Bischof Nikolas) überbringen lassen. Doch auch diese Aktion führte nicht zum Erfolg.
Dennoch finden wir viele Belege der Guntherverehrung im Mittelalter und in der Neuzeit. Die bekanntesten sind mit dem
Kloster Břevnov und mit Dobrá Voda/Gutwasser verbunden. In Břevnov war die Verehrung Gunthers mit dem Grab in der
Klosterkirche verknüpft. Das Grab war von Anfang an im Ostabschluss des südlichen Seitenschiffs der Klosterkirche situiert.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurde dieser Ostabschluss umgebaut, und zwar in die Form einer frühgotischen
Grabkapelle. 1390 soll Bonifaz IX. den Besuchern dieses Grabes Ablässe bestätigt haben. In Gutwasser wurde am Anfang
des 16. Jahrhunderts ein reger Kult gepflegt, was die berühmte Plastik (heute im Museum in Sušice aufbewahrt) belegt.
Die zweite Welle der Kanonisationsbemühungen ist mit dem Barock verbunden. Im Jahre 1684 wurde in der Břevnover
Propstei in Police (im Maria Magdalena-Altar) der Holzschrein mit männlichen Skelettüberresten gefunden, die vom Anfang
an als die Guntherreliquien bezeichnet wurden. Diese Reliquien wurden am 11. 11. 1716 nach Břevnov überführt und am 10.
8. 1726 in den Seitenaltar der neuen St. Margaretha-Kirche beigesetzt. In den Altaraufbau wurde das Meistergemälde von
Petr Brandl gehängt, auf dem die Szene der letzten Kommunion des Eremiten abgebildet ist.
Auch im 18. Jahrhundert wiederholte sich die Lage, wie sie sich seit dem 13. Jahrhundert darstellt. Die Verehrung des nicht
heilig gesprochenen Eremiten war offiziell nicht vorstellbar. Deshalb hat Brandl für den Altar noch ein anderes Bild
geschaffen, und zwar ein Bild mit dem schon kanonisierten benediktinischen Heiligen Prokopius (* um 978, + 1053), des
Gründers des Klosters in Sázava. Damit war die nicht offizielle Altarehre des Břevnover Hausheiligen Gunther unterstützt und
ermöglicht. Die neuzeitliche Erneuerung des Guntherkultus ist mit der Person des benediktinischen Geschichtsschreibers
Bonaventura Piter verbunden. Seine Bemühungen gipfelten in der bis heute hochwertigen Monographie über die
Gunther'sche Geschichte. Dank seiner Anregungen wurde der alte Grabstein gerettet, der am 18. 7. 1761, bei einem großen
Kirchfest, an der südlichen Außenseite der Kirche im Rahmen eines Freskos von Josef Hager eingeweiht wurde.
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