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Guntherlegenden und -sagen
"Die Gestalt dieses außerordentlichen Mannes ist im Laufe der Zeit mit einem Kranz von Sagen umflochten worden, die in
den Heiligenlegenden erzählt und zum Teil von der Malerei und Poesie mit Vorliebe dargestellt werden", stellt
Gotthard Lang in seinem Buch "Der selige Gunther, der Ermit" (1948) fest. Einige der in diesem Buch vorgestellten Sagen
seien im Folgenden wiedergegeben.
Viele der überlieferten Guntherlegenden und -sagen sind der Vita Guntheri Eremitae auctore anonymo entnommen.
Diese Gunther-Biografie wird allgemein nicht als zeitgenössiche Quelle angesehen, sondern als Schrift, die bald nach
Gunthers Tod mit Zielrichtung Heiligenverehrung und Verklärung von Gunthers Frömmigkeit verfasst wurde.
Die Kapitel 1, 2, 3 und 6 sind wörtlich aus der Gotthard-Biografie (Vita II Godehardi) abgeschrieben, die von Wolfher von
Hildesheimverfasst wurde, der Gunther und Gunthers Wirken aus persönlichem Erleben stammte.
Die Authentizität aller übrigen Kapitel der Gunther-Biografie des unbekannten Autors werden stark angezweifelt. Vor allem
aber die Guntherlegen fanden in der volkstümlichen Heiligenverehrung der Guntherzeit vielfältige Verbreitung und auch
künstlerische Darstellungen, die bis heute ungebrochen nachwirken.
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An Gunthers Aufenthalt am ungarischen Königshofe knüpft sich
die Sage vom Pfauenwunder. Der Eremit war von seinem Oberen
beauftragt worden, in allem dem König Stephan Folge zu leiden.
Dieser ließ ihm einmal als Zeichen besonderer Gewogenheit bei
Tisch einen gebratenen Pfau vorsetzen. Der Selige lehnte den
Leckerbissen mit Dank ab, weil ihm die Ordensregel den Genuss
von Fleisch verbiete. Um jedes Bedenken zu zerstreuen,
verwandelte der König sein Zureden in einen Befehl. Gunther,
der weder seine Ordensregel verletzen noch den König betrüben
wollte, bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen, neigte so sein
Haupt auf die Tischfläche und empfahl seine Sache Gott unter
heißen Tränen. Als er nach wenigen Augenblicken sich wieder
erhob, da, o Wunder, bekam der Vogel wieder Leben, bedeckte
sich mit seinem Federkleid, erhob sich vor aller Augen von der
Tafel und flog zum offenen Fenster hinaus. Die erstaunten
Tischgäste wurden mit Ehrfurcht gegen den bescheidenen Mönch
erfüllt und störten ihn nie wieder in seinen klösterlichen
Gewohnheiten.
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Die Legende vom sog. Pfauenwunder existiert in vielen Versionen. Eine Version aus "Bavarica Sancta" (1861) sei noch
angeführt:
Der Ruf von seinem heiligen Leben drang bis an den Hof des Königs von Ungarn. Durch die Königin Gisela, die Schwester
des Heinrich II., war auch der König Stephan für das Christentum gewonnen worden. Der selbe wünschte seinen Verwandten
bei sich zu haben und von ihm Unterweisung im christlichen Leben zu erhalten. Günther begab auf mehrmaliges Bitten sich
endlich zum König, nachdem er von seinem Abte hierzu die Erlaubnis und den Segen erhalten hatte.
Aber auch am Hofe des Königs setzte der eifrige Mönch seine strenge Lebensweise fort. Er ließ sich selbst an der königlichen
Tafel nicht bewegen, Fleischspeisen zu genießen; denn er wollte, seinem Gelübde getreu, in der Entsagung und der Abtötung
ausharren bis an sein Ende. Als Günter einst mit dem Könige und all seinen Hofleuten zu Tische war, brachte man unter
anderen köstlichen Speisen auch einen gebratenen Pfau. Der König drang mit aller Zudringlichkeit in seinen Verwandten, er
möchte doch auch von diesem Gericht etwas genießen. Als Günther immer sich weigerte und mit Entschiedenheit erklärte, es
wäre dieses gegen sein Gelübde, befahl ihm der König mit all seiner Strenge, er müsse davon essen.
Günther nahm in dieser Verlegenheit seine Zuflucht zu Gott. Er senkte sein Haupt, verhüllte es mit seinen Händen und flehte
unter Tränen zum Herrn er möchte in seiner Güte und Macht bewirken, daß er seinem Gelübde nicht untreu werden dürfe.
Während der Diener Gottes so betete und dann das Haupt empor richtete, sah er, wie der gebratene Pfau auf einmal sich
erhob und davon flog. Alle Anwesenden waren voll Erstaunen und priesen Gott der die Gewissenhaftigkeit und Treue seines
Dieners durch ein solches Wunder belohnte.
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Eine Legende beschreibt Gunthers ersten Winter in seiner Einsiedelei beim
heutigen Frauenbrünnl. Auch diese Legende ist verschieden ausgeschmückt
überliefert und wird hier in der im Buch Bavarica Sancta von 1861
veröffentlichten Fassung widergegeben:
"In dieser Einsamkeit (der zweiten Klause beim Frauenbrünnl, J. D.) führte
Gunther ein noch ärmeres Leben als zuvor. In der ersten Zeit seines
Aufenthaltes im Nordwald war im strengsten Winter eine solche
Schneemasse gefallen, dass man neun Tage lang nicht mehr in Günthers
Einsamkeit kommen konnte, um ihn, wie gewöhnlich, das notwendigste Brot
zu bringen. Kein Mensch in der Umgebung wusste noch von Ihm. Drei Tage
lang war er schon ohne einen Bissen Brot. Jetzt wurde sein Hunger äußerst
heftig. Günther grub den eisigsten Schnee, der schon Mannes Höhe erreicht
hatte, auf und suchte Waldkräuter, um sie in einem Topfe zu kochen. Er fand
einige, goss Wasser daran und brachte sie über das Feuer.
Aber am ersten Tag wurden die Kräuter kaum erweicht und er verschob das
Essen auf den folgenden Tag. An diesem Tage ließ er die Kräuter kochen
und wollte sie essen; aber sie widerstanden ihm. Inzwischen wurde der
Hunger immer peinlicher und Günther sprach zu sich selbst: 'Ich stolzer,
verweichlichter Mensch will kein Behagen finden an diesem gemeinen
Gericht. Das sollte mir willkommen sein zur Büßung für den
verschwenderischen Genuss von Leckerbissen, von Geflügel und Wildbret,
wodurch ich früher so sehr mich versündigte! Ich will es genießen im Namen
Jesu Christi, des Erlösers aller Menschen, der arm geworden um
meinetwillen, da er reich war. Ich will es genießen, um an ihm einen Teil zu
gewinnen.'
Und nun aß er von diesen Waldkräutern und erhielt sich am Leben, bis ihm
wieder vom Kloster Brot gebracht wurde. Um so inniger dankte er jetzt
fortan dem Herrn für das übersendete Brot und um so zufriedener war er mit
der kärglichsten Nahrung.
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Eine Sage weiß zu
berichten, wovon
der Eremit in
seiner letzten
Einsiedelei auf dem
St. Guntherberg
sich nährte. Eine
Hirschkuh fand sich
täglich bei ihm ein
und spendete ihm
ihre Milch.
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Auch die hölzerne Statue
des Seligen, die jetzt auf
dem Hochaltar der
Pfarrkirche von Gutwasser
steht, ist Gegenstand
mehrerer Sagen. Einst
fanden Hirten diese Statue
unweit der Quelle in der
Höhlung eines Baumes und
verbrachten sie „zur
mehreren Verehrung" in die
Kirche von Hartmanitz. Dort
war sie am nächsten Tage
verschwunden und fand
sich wieder an ihrem
früheren Platz. Hierauf trug
man das Bild zuerst in die
Pfarrkirche von Maurenzen,
dann in die Kirche von
Petrowitz, allein an beiden
Orten wiederholte sich der
nämliche Vorgang. Daraus
erkannten alle, Gott habe
diesen Ort zur
Verherrlichung des Seligen
bestimmt
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P. Albert Chanowsky S. J. (+ 1643) erzählt: Noch zu seiner Zeit zeigte man den Stein, auf dem der Einsiedler nach des
Tages Arbeit zu ruhen pflegte. In diesen Stein hatten sich seine Körperformen wie in weiches Erdreich eingedrückt. Ebenso
nahm der Stein, auf dem er seine Gebete verrichtete, die Formen seiner Knie und Hände auf.
Für Geowissenschaftler sind solche Vertiefungen, auch "Opferkessel" genannt, typische Verwitterungsformen des Granit. Der
Volksglaube deutete sie aber als Abdrücke des ruhenden Gunther. Das Legendenmotiv der Steinverformung durch einen
Kontakt mit Heiligen ist in vielen Gegenden zu finden. Ebenso ist auch die oben angeführte Entstehungslegende durch sich
wiederholende Rückkehr auf einen (vor)bestimmten Platz oft anzutreffen.
Beide Legendenmotive treten auch in "Frauenbrünnl-Legenden" auf., z. B. in der Legende "Wo Sankt Gunther schlief".
"Im Gehmannsberger Wald quillt das Frauenbrünnl hervor. Dort schöpfte einst der Waldheilige Gunther das Wasser für sich
und seine Tiere. Gleich neben dem Brünnl liegt ein eigen gebildeter Stein. Auf diesem schlief der heilige Roder. Da erweichte
der Stein unter seinem Leibe und formte sich zu einem steinernen Bett. Heute noch glaubt man Kopf, Leib, Hände und Füße
in der Platte eingeprägt zu sehen."
(aus:"Sagen aus dem Waldland" von Dr. Reinhard Haller)
Rektor M. Steiner überlieferte um 1940 folgende Frauenbrünnl-Legende:
"Einmal ritt die Mutter Gottes auf einem Esel durch die Gegend und rastete beim heutigen Hintergehmannsberg auf einem
Stein. Da prägten sich die Füße der Mutter Gottes und des Esels im Steine ein. Dorthin wollten nun die Mönche das
Steinkirchlein bauen. Schon standen die Grundmauern. Als man am nächsten Tage weiterbauen wollte, waren die Mauern
verschwunden. Man suchte und fand sie oben beim Frauenbrünnl. Dort wurde der Bau vollendet."
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